Der traditionsverhaftete Mittelstand braucht Guerilla Führungskräfte

Viele traditionsreiche Unternehmen sind stolz auf ihre zum Teil über 100-jährige Geschichte und die vielen Erfolge - zu Recht. Doch dieser Stolz ist auch gefährlich, denn er macht zufrieden und träge und verbaut die Sicht auf disruptive Veränderungen am Horizont. Oft zählt die Unternehmensleitung zu den Stolzen und schafft so keine Umgebung für Veränderungen. Hier müssen sie ran: die Guerillas. Und von unten die Krusten aufbrechen.

 

Guerillas sind Führungskräfte, die den Bedarf für Veränderung im Allgemeinen und Digitalisierung im Speziellen erkennen und in der Lage sind, aus eigener Kraft und Regie anzupacken. Sie sind oft verantwortlich für Bereiche im Unternehmen, in denen die Digitalisierung früh spürbar wurde. Im Marketing, Vertrieb oder natürlich der IT. Aber auch anderswo wie der Logistik oder dem Service. Die Aufgabe der Guerillas ist es, Akzente zu setzen in dem sie Dinge konkret angehen und verändern. Sie führen neue Werkzeuge ein oder sind die ersten, die mit neuen Methoden arbeiten. Diese Impulse können in ausreichender Menge den großen Motor anspringen lassen. 

 

Du möchtest eine Guerilla Führungskraft werden? Hier 5 Tipps aus meiner Erfahrung:

 

1. Denk positiv

 

Klingt banal - ist aber wichtig. Wenn Du eine Guerilla Führungskraft sein möchtest, hast Du mit Sicherheit gerade eine Wand an Zögerlichkeit, Skepsis und Whataboutism vor Dir. Das wird auch eine Weile so bleiben, denn diese Wand ist stark. Chinesische Mauer-stark. Sie ist gewachsen auf den Erinnerungen und Emotionen von vielleicht Jahrzehnten an Ingenieursleistungen und 'bewiesenen' Wahrheiten. 

Insofern wappne Dich mit so viel Positivität und Optimismus wie Du kannst. Du wirst ihn brauchen, denn: Es wird nicht umsonst sein. Jedes Gespräch, jeder Workshop, jede Initiative und sei sie noch so klein ist ein kleiner Pflasterstein in Richtung Veränderung. Ihre Effekte sind manchmal spät und unvorhergesehen, aber sie kommen.

 

2. Bilde Allianzen

 

Vielleicht kennst Du schon einige, vielleicht auch nicht. Aber sie sind immer da: KollegInnen und potenzielle MitstreiterInnen, die ähnlich denken wie Du. Manche habe sogar schon den Guerilla Weg begonnen. Suche den Kontakt zu diesen Leuten und schließt Euch zusammen. Nicht nur hilft das beim Befolgen von Tipp #1 sondern Ihr könnt Euch untereinander stärker machen. Durch gemeinsame Projekte, in dem Ihr Euch gegenseitig im Unternehmen bewerbt und empfehlt oder in dem Ihr Erfahrungen austauscht und schon gemachte Fehler vermeidet. 

 

3. Mach Dich angreifbar

 

Eine der schwierigen Dynamiken der Digitalisierung ist, dass sich die Dinge extrem schnell verändern. Oft dreht sich die Welt da draußen schneller, als Unternehmen in der Lage sind, sich daraufhin anzupassen. Planungssicherheit ist in manchen Bereichen nur noch eine Hoffnung. Die genauen Auswirkungen von Entscheidungen und Investitionen sind nur schwer, manchmal gar nicht seriös abzusehen. Gleichzeitig müssen sie getroffen werden. 

Wenn Dich also der CFO fragt, wie viel Umsatz denn rein kommt, wenn dieses Team für Künstliche Intelligenz finanziert und aufgebaut wird, dann versuche nicht, ihm mit sehr weit hergeholten Excel Tabellen eine Korrelation herzurechnen. Sei ehrlich. Benenne die Faktoren, die einerseits die Investition erfordern, andererseits aber den direkten finanziellen ROI nur schwer errechenbar machen. Alles andere durchschaut er ohnehin und Deine Glaubwürdigkeit leidet. Mit Ehrlichkeit bekommst Du vielleicht dennoch nicht sofort das 'Go', aber Deine Authentizität wird Deine Glaubwürdigkeit stärken, denn eines ist sicher: die Notwendigkeit Deines Ersuchens wird wieder auf den Tisch kommen. Da ist die Digitalisierung sehr konsequent. 

 

4. Rette die Digitalisierung aus der Theorie

 

Einer der Zeit- und Nervenaufreibendsten Situationen sind endlose Diskussionen, die sich auf der Metaebene abspielen und in der Top Manager 1 der einen Meinung ist, und Manager 2 der anderen. Das kennt man aus unzähligen Situationen, allerdings ist diese Symptomatik im Zusammenhang der Digitalisierung von besonderer Tragik. Den hier zählt eins: Geschwindigkeit. Mit jedem Monat des Vertagens und Theorien-Austauschens haben sich da draußen drei weitere Startups gegründet, der Wettbewerb hat ein wichtiges Projekt weiter gebracht und Google ist weiter darin gekommen, ein Wettbewerber zu werden.

 

Versuch also so schnell wie möglich die Diskussion aus der Theorie in die Praxis zu holen. In jedem Fall mit Daten, die Deine Thesen stützen (Immer wieder gut: 'Without data, you are just another person with an opinion' W. Edwards Deming). Dann aber sobald wie möglich erweitern,  in dem Du mit praktischen Ergebnissen zeigst, dass die Maßnahmen greifen. Oder auch, das befürchtete Risiken nicht eintreten. Schaffe Dir also Piloten. Klein, fein und dadurch schnell umsetzbar. Mit der Zeit wächst so ein Portfolio an praktischen Belegen, die Dir sehr helfen werden, schneller zu den großen Entscheidungen zu kommen.  

 

5. Menschen treffen keine rationalen Entscheidungen 

 

An dieser These streiten sich die Weisen noch oft, aber nach meiner Erfahrung trifft das absolut zu. In aller Kürze: Die Theorie besagt, dass der Mensch zwei Gehirnhälften hat. Die eine für die Sach- und Datenorientierten Entscheidungen. Die, die sich auf klare Informationen, Erfahrungen usw. stützen. Die andere Gehirnhälfte ist die bunte, kreative und emotionale Seite. Hier werden u.a. Entscheidungen getroffen, die auf Gefühlen basieren - auf Hoffnung, Angst oder Intuition. Und hier ist der Clou, dem ich zustimme: Die schiere Menge an Sachinformationen ist für jeden Menschen in fast allen bedeutenderen Situationen derart unüberschaubar groß, dass wir am Ende immer mindestens zum Teil emotional entscheiden. Und sei es nur aus der Intuition heraus, nach Sichtung aller Daten vermutlich mit Tor A das Richtige zu tun. Hier ist dazu noch etwas mehr zu lesen. 

 

Das heißt für den Guerilla: Daten werden Dich nur ein Stück weit bringen. Achte auf die emotionale Situation Deines Gegenübers. Worauf hofft er oder sie? Was befürchtet er? Richte Deine Argumentation daran aus und arbeite mit Geschichten und Bildern. Die Effektivität Deiner Vorschläge wird bedeutend höher sein. 

 

 

Mit diesen fünf Ansätzen sind Guerilla Führungskräfte gut gerüstet. Aber natürlich bleibt eines unverändert richtig: Ohne, dass irgendwann die Unternehmensleitung mit einsteigt und von 'oben' den Weg frei macht, um die größeren Weichenstellungen zu ermöglichen, kann auch eine Truppe von Guerillas ein Unternehmen nicht nachhaltig fit für die Digitale Zeit machen. Aber einen Versuch ist es immer wert. 

 

 

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