
Immer mehr B2B Unternehmen beginnen den Atem der Digitalisierung zu spüren. Beispielsweise, weil sie bei ihrem Wettbewerb Lösungen entdecken, die schon jetzt von neuen technischen Möglichkeiten Gebrauch machen und von Kunden gut angenommen werden. Oder, weil spürbar die Margen unter Druck geraten.
Denn die physischen Produkte, die über Jahrzehnte den Motor des Wachstums bildeten geraten unter Druck von Wettbewerbern, zum Beispiel aus Asien, die mittlerweile ähnliche Qualität zu niedrigeren
Preisen anbieten können. Darüber hinaus werden digitale Service-Angebote immer mehr zu den entscheidenden Angeboten, für die Kunden wirklich noch Geld ausgeben wollen. In eben diesen Jahrzehnten
sind gleichzeitig substantielle Vertriebsstrukturen entstanden. Und das war richtig so, denn die Kunden waren darauf angewiesen, die zum Teil hoch komplexen Produkte vorgestellt und erklärt zu
bekommen.
Seit dem hat sich allerdings einiges getan. Dank des Internets sind Kunden deutlich selbständiger geworden und beschaffen sich viele Informationen bereits lange bevor das persönliche Gespräch mit
einem festen Vertriebsmitarbeiter oder beim beauftragten Fachhändler gesucht wird. Studien sprechen davon, dass bis zu 60% der Entscheidungsfindung abgeschlossen ist, bevor das erste persönliche
Gespräch gesucht wird. Darüber hinaus steigt die Erwartung, den Kaufprozess teilweise oder ganz online erledigen zu können. Immer mehr dehnt sich diese Erwartung auch auf den After Sales aus.
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Also liegt die Absicht für Hersteller nahe, eigene und direkte Verkaufskanäle zum Endkunden aufzubauen. Direkter Kundenkontakt, Einsparung der Rabatte für den Fachhandel, Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und mehr locken.
Den Fachhandel wird das allerdings aus nachvollziehbaren Gründen verärgern und manche auf Herstellerseite mögen sich sorgen, dass Händler aufgrund dieser Verärgerung die eigenen Produkte nicht oder nicht mehr gut verkaufen möchten. Sie fürchten Umsatzeinbrüche. Dieses Risiko wird sich nicht völlig eliminieren lassen, aber es gibt einige gute Schritte, um den Weg der Vertriebsdigitalisierung dennoch voran zu bringen.
1. Sucht das Gespräch so früh wie möglich
Der Fachhandel sieht sich mit der Digitalisierung massiven Herausforderungen gegenüber. Jeff Bezos hat klar gesagt, dass er den Zwischenhandel eliminieren will. Aber auch außerhalb von Amazon gibt es bereits heute eine Vielzahl von B2B Online Plattformen und es werden stetig mehr. Dazu kommen immer mehr Plattformen von Herstellern.
Auch wenn manche Händler oder auch Verbände diese Disruption noch nicht so recht wahr haben wollen - bei immer mehr Händlern setzt sich diese Erkenntnis durch und sie haben zunehmend Verständnis für das Hersteller-Interesse. Hersteller, die sehr früh und auf Augenhöhe auf ihre Händler zugehen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, haben gute Chancen auf konstruktives Interesse zu stoßen.
2. Incentivierung wirkt Wunder
Es ist eine Tatsache, dass jedes Jahr einige Prozent des globalen Handelsvolumens von Offline zu Online Verkaufskanälen wandern. Deswegen wird es unvermeidlich sein, dass auch der Offline Fachhandel die Auswirkungen spüren wird. Sei es aufgrund der Dynamik selbst oder eben weil Hersteller nach eigenen direkten Online-Verkaufswegen suchen und so Umsatzströme anders fließen.
Um diese Veränderung allerdings verträglicher und in manchen Fällen sogar attraktiv für den Fachhandel zu gestalten, empfiehlt es sich einen genauen und insbesondere kreativen Blick auf Incentive-Strukturen zu legen. Warum nicht für eine Zeit einen Umsatzanteil an den Fachhändler geben für Produkte die direkt online verkauft wurden, aber auf einem Lead des Fachhändlers zurück zu führen sind? Warum keine gemeinsamen Online-Marketingprogramme, die digitalen und traditionellen Verkaufsweg gleichermaßen bewerben?
Kreative Ansätze - ggf. gemeinsam mit den Fachhändlern erarbeitet - können Wunder wirken, um aus Opposition Partnerschaft zu machen.
3. Gemeinsam in die Zukunft
Eine relevante und oftmals berechtigte Sorge für Hersteller mit Plänen für eigene Plattformen ist: Komme ich hier mit der x-ten Plattform auf den Markt? Kann ich mich überhaupt durchsetzen? Bin ich mit meinem eingeschränkten Portfolio überhaupt attraktiv? Wie verzahne ich meinen Shop mit Marktplätzen und traditionellen Verkaufswegen?
Eine Antwort darauf kann sein, sich mit externen Vertriebspartnern zusammen zu schließen und gemeinsam den Weg in die Zukunft zu gehen. Eine gemeinsame Investition in Technik, in Daten und Design macht den Berg schon etwas erklimmbarer. Ein breiteres Portfolio, erhöhte Reichweite und gemeinsame Marketingprogramme geben unter Umständen mehr Punch im Markt. Und nicht zuletzt bieten sich sehr wahrscheinlich attraktive Optionen für zusätzliche digitale Services auf der Plattform in Richtung After Sales, Inbetriebnahme, Training und mehr.
4. Sei schonungslos ehrlich mit allen Beteiligten
Die Digitalisierung ist so verzweigt, dynamisch und radikal, dass ihre Auswirkungen nicht nur schwer greifbar sondern auch schwer zu akzeptieren sind. Insbesondere in traditionsreichen Technologieunternehmen ist die Tatsache, dass die bisher unerschütterlichen Wahrheiten, so plötzlich und respektlos in Frage gestellt werden für viele oft schwer zu schlucken. Die Neigung, Tatsachen und Entwicklungen zu relativieren, abzuschwächen oder zu vertagen ist groß.
Das Problem: Währenddessen geht die Digitalisierung weiter und auch die Herausforderungen bestehen weiter und werden eher größer. Es kostet also unter dem Strich nur mehr Geld. Sei es durch entgangene Umsätze oder höhere Kosten bei der Schließung von Kompetenzlücken unter dann höherem Zeitdruck.
Also: Rede nicht nur frühzeitig mit Deinem Fachhandel und den eigenen Managern, sondern sei respektvoll schonungslos in der Darstellung der Daten, Entwicklungen, Pläne und den Konsequenzen. Die Digitalisierung ist es auch. Auch wenn der Aufschrei erst groß ist, die klare Kante spart direkt danach hartes Geld und sorgt darüber hinaus in aller Regel für ein stabileres Verhältnis mit den beteiligten Parteien.
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